Marinière, Espadrilles und Strohtasche im Gepäck - optimistisch noch schnell ein paar Bikinis reingeworfen - machen wir uns auf einen spätsommerlichen Roadtrip durch die Côte d'Azur und die Provence. Von betörenden Düften in den Gassen von Grasse, über verschlafenem Insel-Feeling auf der Île de Porquerolles bis hin zu historischen Dörfern des Luberon: Ein Reisetagebuch über sehenswerte Orte abseits von St.Tropez, Cannes und Co., wo es im September noch fast schöner ist als im Hochsommer.
Genüsslich nehme ich einen Schluck von meinem Rosé und lasse die vergangenen Tage im Garten des Château des Alpilles in Saint-Rémy de Provence Revue passieren. Mein Blick wandert zu den imposanten Platanen, die den Eingang des Châteaus zieren. Es kann nicht mehr lange dauern, und der ganze Hof wird voller Herbstlaub sein. Bald, aber eben noch nicht jetzt. Noch scheinen die Blätter zu zögern, so als wüssten sie nicht recht, ob sie sich an den Sommer klammern oder loslassen sollten.
Um diese wunderschönen Erinnerungen von einer «la vie en rose» voller Sorglosigkeit tief in meinem Herzen zu verankern, lasse ich nochmals jede unserer Stationen vor meinem geistigen Auge vorbeiziehen. Ohne rosarote Brille, aber dafür mit einem rosaroten Glas und französischen Chansons im Ohr halte ich die sehenswertesten Orte in meinem Reisetagebuch fest.
Grasse: Ein Muss für Parfumliebhaberinnen und Liebhaber
Als Parfumliebhaber kommt man um einen Besuch bei Grasse nicht drum herum. Die mittelalterliche Stadt ist weniger an sich ein Bijou, sondern verdankt ihre Berühmtheit den alteingesessenen Parfumhäusern. Man muss aber fairerweise anfügen: In Südfrankreich wird man enorm verwöhnt, was schmucke Dörfer anbelangt. Ein absolutes Must sind das internationale Parfummuseum sowie ein Besuch der Fabrik von Fragonard. Hier erfährt man von der Geschichte über die Herstellung bis hin zu Form und Etikett alles Erdenkliche aus der Parfumwelt. Wer sich im Voraus informiert und genug früh einen Platz reserviert, der kommt in den Genuss eines einzigartigen Erlebnisses: Seine eigene Parfumkreation, unter fachmännischer Anleitung der Kursleiter. Wer schon immer davon träumte, an einer Parfumorgel zu sitzen, seine Nase zu trainieren und einen Duft ganz nach seinem Gusto als Souvenir mitzunehmen, der sollte sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.
Must Visit:
- Internationales Museum der Parfümerie, 2 Boulevard du Jeu de Ballon, 06130 Grasse, Frankreich
- Musée Fragonard, 14 Rue Jean Ossola, 06130 Grasse, Frankreich
Essen & Trinken:
- Les Délicatesses de Grasse, 3 Bis Place Aux Aires 06130 Grasse, Frankreich
Weinbar mit Tapas - perfekt für einen Apéro auf dem zentralen Places Aux Aires.
Ramatuelle: Verträumte Romantik
In den verwinkelten Gassen von Ramatuelle macht sich ab den ersten Schritten ein Gefühl von Geborgenheit breit. So klein ist die historische Altstadt, dass man sich gar nicht verlieren könnte. Der Nase nach mal links abbiegen in die Rue des Mimosas, mal rechts in die Rue des Amoureux. Hier schlendert man unter Bougainvillea, sorglos und stets neugierig, was um die nächste Ecke kommen wird.
Essen:
- La Tarte Tropézienne, Place du Général de Gaulle, 83350 Ramatuelle, Frankreich
Brigitte Bardot höchstpersönlich hat der berühmtesten Dessertkreation dieser Patisserie seinen Namen gegeben. Die Tarte Tropézienne, ein Kuchen gefüllt mit luftiger Crème Patissière, gibt es neben der Originalgrösse auch als Baby Tropéziennes. Unbedingt probieren!
Île de Porquerolles: Reizvolle Insel fernab von Hektik
Es ist Liebe auf den ersten Blick: Die pfirsichfarbenen Häuser entlang der Côte d’Azur mit ihren pistache- und türkisfarbenen Fensterläden haben es mir sofort angetan. Wer Palmen, lange Sandstrände und lebendige Hafen mit guten Restaurants sucht, wird in Hyères und Le Lavandou nicht enttäuscht werden.
Ein Geheimtipp ist die Insel Île de Porquerolles. Um zum feinen Sandstrand Plage d’Argent mit seinem türkisfarbenen, klaren Meer zu kommen, mietet man entweder ein Velo oder entdeckt die verschlafene Insel gemächlich zu Fuss. Am besten versorgt man sich gleich bei Ankunft an einem der Früchtestände mit Snacks für den Strand. Noch ein letztes Mal genüsslich in eine Wassermelone beissen, den Geschmack von reifen Pfirsichen und süssen Feigen verewigen. Die letzten Sommerfrüchte sind die wertvollsten.
Aix-en-Provence: Beschauliche und bezaubernde Studentenstadt
Die Septembersonne lässt die grösstenteils in die Jahre gekommenen, aber nicht minder charmanten gelben Gebäude mit ihren hellblauen Fensterläden in goldenem Licht erstrahlen. So ist es auch die Jugend dieser Universitätsstadt, die den etwas verstaubt anmutenden Bistros im Heimatort des Impressionisten Cézanne ein zeitgemässes Je ne sais quoi verleiht. Offene Plätze voller einladender Cafés und Bars, Shopping in den Gassen der Altstadt und den neuen Galerien und all dies musikalisch untermalt mit französischen Chansons der Akkordeon-Strassenmusiker. Aix-en-Provence ist eindeutig zu schön, um nur ein kleiner Zwischenstopp auf der Durchreise zu sein.
L'Isle-sur-la-sorgue: Antiquitäten und andere Trouvaillen
Wenn man nicht zufällig Innenarchitekt, Dekorateur oder Künstler ist, wird man wohl noch nie von dieser kleinen Provence-Stadt gehört haben. Doch ist sie nicht nur perfekt gelegen für Tagesausflüge im regionalen Naturpark des Luberon, sondern ist vor allen Dingen die zweitgrösste Antiquitätenhändler Stadt Frankreichs. Raritäten-Sucher und Vintage-Liebhaber kommen in den inspirierenden Geschäften vollends auf ihre Kosten. Die Stadt lädt ausserdem zum Flanieren ein entlang der rund um die Stadt fliessenden Sorgue mit ihren unzähligen Wasserrädern.
Essen & Trinken:
- Restaurant « Café Fleurs », 9 Rue Théodore Aubanel, 84800 L'Isle-sur-la-Sorgue, Frankreich
Unglaubliches Preis-Leistungsverhältnis. Jeder Gang war ein Gedicht. - Restaurant «Le Carré d’Herbes », 13 Avenue des Quatre Otages, 84800 L'Isle-sur-la-Sorgue, Frankreich
Provenzalische Küche, modern interpretiert. - Olive & Raisin, 20 Allée du 18 Juin, 84800 L'Isle-sur-la-Sorgue, Frankreich
Wein- und Tapas-Bar
Le Luberon: Gordes und Roussillon
Die provenzalischen Steinhäuser, die sogenannten Mas, lassen es erahnen: Im regionalen Naturpark Luberon wimmelt es nur so von wunderschönen Dörfern. Gordes und Roussillon sind zwar nur 10km voneinander entfernt, könnten aber nicht unterschiedlicher sein. Während die erstere imposant und monochrom an einem Hang ruht, ist die zweitere in einen Pastell-Topf getunkt. Klassifiziert als eines der schönsten Dörfer Frankreichs, ist Gordes längst kein Geheimtipp mehr. Diese Tatsache lässt sich unmissverständlich an den amerikanischen Touristen und den Sotheby's Büros erahnen. Ein kurzer Abstecher gehört aber zum Pflichtprogramm, denn die Sicht auf die hochgelegenen Häuser am Hügel ist atemberaubend.
Das nahegelegene Roussillon zieht vor allem Kunstinteressierte an, denn die farbenfrohe, hügelige Stadt bietet sowohl die Kullisse als auch das Zubehör dafür: Mit dem Ocker von Roussillon werden Pastellfarben für Aquarelle hergestellt.
Uzès: Kleinstadt mit Charme und Geschichte
Das Herz von Uzès schlägt am Places des Herbes, umgeben von stattlichen Platanen. Hier wird mehrmals in der Woche ein Markt gehalten. Früchte und Gemüse aus der Provence locken ebenso wie die frischen Austern, die aromatischen Chèvre-Käse und die diversen Tapenaden und Pistou, die zurück Daheim das Provence-Feeling aufkommen lassen.
Nîmes: Rom à la Française
Mit seinen hervorragend erhaltenen, knapp 2000 Jahre alten Amphitheater und dem atemberaubenden Tempel Maison Carrée hat Nîmes sehr viel von der Ewigen Stadt. Die ehemalige Kolonie des Römischen Reichs besticht aber vor allem mit ihrem unverkennbaren französischen Flair. Das Stadtbild wird geprägt von weitläufigen Plätzen und den Kalksteingebäuden des Zentrums mit ihren hellblauen Fensterrahmen, die zum Flanieren in den Gassen der Altstadt einladen.
Trinken:
- Café Latin, 29 rue de l'Horloge, 30000 Nîmes, Frankreich
Café-Bar mit Aussenterasse und direkter Aussicht auf das Maison Carrée.
Essen:
- Le Petit Mas, 25 Rue de la Madeleine, 30000 Nîmes, Frankreich
Tapas und raffinierte Tageskarte.
Selig schliesse ich meine Augen, wende mein Gesicht der Sonne zu und versuche die Noten des Rosés zu erraten. Blumig in der Nase, ein Hauch von sonnengereiften Pfirsichen im Abgang.
Die letzten Sommertage in der Provence neigen sich dem Ende zu, und bald werde auch ich mich - wie die Blätter der Platanenallee vor dem Château - vom Winde verwehen lassen.
Dankbar für einen unvergesslichen Sommer, glücklich im Hier und Jetzt, fühle ich mich endlich bereit für die Heimreise und den Herbst. Denn diese Erinnerungen werden nicht nur an den kühlen Tagen mein Herz erwärmen, sondern ein Leben lang.